Der Aufsichtsrat ist ein entscheidendes Kontrollgremium in der Unternehmensführung, das in vielen Bereichen eine strategische und kontrollierende Rolle übernimmt. Der Weg in den Aufsichtsrat ist nicht standardisiert und kann je nach Unternehmensgröße, Geschäftsmodell und Zielen variieren. Stefan Schulzendorf, Senior Managing Director Executive Search bei Robert Half Deutschland und Florian Kreuzwirth, Regional Managing Director bei Robert Half Deutschland zeigen Wege auf, wie Entscheider in einen Aufsichtsrat kommen können. Welche Pflichten sie haben und warum Kompetenz und Reputation die besten Grundvoraussetzungen sind.
Mehrere Wege führen in den Aufsichtsrat
Der Weg in einen Aufsichtsrat folgt keinem standardisierten Schema, sondern wird maßgeblich von den spezifischen Anforderungen des Unternehmens und der jeweiligen Branche geprägt. Unternehmen legen bei der Auswahl großen Wert auf Kandidaten mit tiefgreifender Expertise in Schlüsselbereichen wie Finanzen, Recht oder strategischer Führung sowie auf eine nachgewiesene Fähigkeit, wertvolle Perspektiven auf Unternehmensentscheidungen einzubringen.
Grundlegend allerdings sind ein belastbares Netzwerk und ein etablierter Ruf in Industrie oder Politik immense Vorteile. Auch branchenspezifische Kompetenzen spielen eine hervorgehobene Rolle. Immer öfter sind es spezifische Qualifikationen, etwa internationales Management oder Spezialwissen zu allen Aspekten der Digitalisierung, die in Unternehmen nachgefragt sind. 74 Prozent der Unternehmen, die im DAX gelistet sind, gaben in der Studie „Governance Perspectives: Aufsichtsratskompetenzen erstmals transparent“ des European Center of Board Effectives an, dass Digitalisierung eine gewichtige Fähigkeit ist. Davor rangieren allerdings Kompetenzen in ESG, Nachhaltigkeit und CSR (95 Prozent) sowie die altbekannten Domänen wie Finanzen, Rechnungslegung und Abschlussprüfung (99 Prozent).
Die Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder variieren je nach Unternehmensgröße und der Größe des Aufsichtsratsgremiums. In größeren Unternehmen sind in der Regel mehr Kompetenzen und Expertisen erforderlich, um eine effektive Überwachung und Beratung des Vorstands zu gewährleisten. In kleineren Unternehmen kann die Zahl der Mitglieder im Aufsichtsrat geringer sein. Der Kernanforderung bleibt allerdings auch hier ein umfassendes Portfolio an fachlichen Kenntnissen.
Geschäftsmodell und Situation des Unternehmens
Gerade die Komplexität und mehr denn je die aktuelle Unternehmenssituation prägen das Anforderungsprofil der Unternehmen an Aufsichtsräte. In multinationalen Unternehmen sind folgerichtig spezifische internationale Kompetenzen. Unternehmen, die sich in einer finanziellen Schieflage befinden, suchen meist nach Aufsichtsräten mit passgenauen Strategien und dem entsprechenden Mindset. Das kann beispielsweise eine nachgewiesene „Sanierungskompetenz“ sein, um das Unternehmens entsprechenden zu beraten.
Internationalisierungsgrad des Unternehmens
Der Internationalisierungsgrad eines Unternehmens kann die Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder beeinflussen. In global agierenden Unternehmen sind Kenntnisse in internationalem Recht, Finanzmanagement und globaler Marktentwicklung von Vorteil. Auch interkulturelle Kompetenz und Erfahrung in der Zusammenarbeit mit internationalen Teams spielen eine zunehmend bedeutende Rolle.
In manchen zumeist familiengeführten Traditionsunternehmen ist der Aufsichtsrat stärker auf strategische Beratung ausgerichtet. In aufstrebenden oder innovativen Unternehmen kann der Aufsichtsrat intensiver in die Unternehmenssteuerung eingebunden sein, insbesondere bei der Überwachung von Innovationen oder neuen Geschäftsmodellen.
Der Aufsichtsrat ist in jedem Fall verantwortlich für die Überwachung der Gesamtstrategie, die Überprüfung der Unternehmensführung sowie die Überwachung der finanziellen Lage und des Risikomanagements.
Typische Aufgaben umfassen die Kontrolle und Überwachung des Vorstands, die Strategieberatung, die Prüfung von Geschäftsberichten und die Überwachung von Risiken und Compliance. Auch die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens muss ständig im Blick behalten werden.
Ein Aufsichtsratsmitglied muss über eine breite Palette von Fachkompetenzen und persönlichen Eigenschaften verfügen:
Integrität und Verantwortung: Aufsichtsratsmitglieder müssen verantwortungsbewusst handeln und hohe ethische Standards wahren.
Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit: Da der Aufsichtsrat meist aus mehreren Mitgliedern besteht, sind konstruktive Kommunikation und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit wichtig.
Analytisches Denken: Aufsichtsratsmitglieder müssen in der Lage sein, komplexe Situationen zu bewerten und fundierte Entscheidungen zu treffen. Auch politische Sensibilität, Offenheit für Veränderungen und Verantwortungsbewusstsein spielen eine wesentliche Rolle in der Ausübung dieser Funktion.
Einige Aufsichtsratsmitglieder übernehmen spezifische Funktionen innerhalb des Gremiums, wie den Vorsitz des Aufsichtsrats oder die Leitung eines Ausschusses (z.B. Prüfungsausschuss). Diese Rollen erfordern besondere kompetenzbezogene Anforderungen und einen höheren Zeitaufwand. Das Engagement in Ausschüssen kann auch tiefere Einblicke in die Unternehmensführung und -kontrolle ermöglichen.
Gerade der zeitliche Aspekt und die Fachkompetenzen sind stark von der jeweiligen Funktion innerhalb des Aufsichtsrats abhängig. Die Arbeit im Ausschuss erfordert nicht nur spezifische Kenntnisse (z.B. im Bereich Finanzen oder Risikomanagement), sondern auch die Fähigkeit, fundierte Entscheidungen auf Grundlage umfassender Informationen zu treffen.
Die Arbeit des Aufsichtsrats ist von umfassenden Rechten und Pflichten geprägt. Der Aufsichtsrat fungiert als pluralistisch besetztes Interessenvertretungsorgan und verfolgt das Ziel, die Zukunft des Unternehmens gemeinsam mit dem Vorstand zu sichern und nachhaltig zu fördern. Der Aufsichtsrat muss strategische Entwicklungen und Krisen frühzeitig erkennen und diesen entgegenwirken.
Wir sehen den Trend, dass der Aufsichtsrat immer stärker in die Unternehmensprozesse eingebunden wird. Seine Stellung im Unternehmen wird sukzessive weiter aufgewertet.
Allerdings sind alle Aufsichtsratsmitglieder sind im Rahmen ihrer Tätigkeit gleichgestellt und verfügen über die gleichen Rechte und Pflichten. Eine privilegierte Stellung kommt lediglich dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu, da er den Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand vertritt und Berichte des Vorstands für das Gesamtgremium entgegennimmt.
Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats besteht gemäß § 111 Abs. 1 AktG in der Überwachungsfunktion gegenüber dem Vorstand des Unternehmens. Hintergrund ist das dualistische System in der Unternehmensorganisation, auch als Two-Tier-System bekannt. Darunter versteht man die klare Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat – eine Art Gewaltenteilung im übertragenden Sinne.
Weitere gesetzliche Regelungen betreffen die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 AktG), die laufende Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 AktG), die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern (§ 112 AktG) sowie die Durchführung von Prüfungen, z.B. die Prüfung des Jahresabschlusses nach § 171 AktG. Die Aufsichtsratsmitglieder sind zudem zur persönlichen Amtswahrnehmung verpflichtet und können keine Vertreter für ihre Aufgaben festlegen.
Die Vorteile einer Mitgliedschaft im Aufsichtsrat sind als besonders hoch zu bewerten. Eine Aufsichtsratsposition stärkt das Reputationsprofil von Entscheidern und gibt ihnen die Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung der Unternehmenszukunft teilzunehmen.
Der in den Aufsichtsrat berufene Experte kann seine wertvollen Erfahrungen und entsprechendes Wissen in den Bereichen Finanzen, Strategie und Governance nicht nur nutzen, sondern selbst neue Einblicke hinzugewinnen. Darüber ist die Tätigkeit in einem Aufsichtsrat eine starke Chance zum Netzwerken. Nicht nur in der Branche, sondern auch darüber hinaus kommen Aufsichtsratsmitglieder oft mit anderen Entscheidern aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammen. Durch entsprechende Symposien und Branchentreffen und die eigene gewichtige Tätigkeit sind die Austauschhürden an dieser Stelle entsprechend gering.
Darüber hinaus wird das Aufsichtsratsmandat sehr oft finanziell vergütet. Laut der DSW-Aufsichtsratsvergütungsstudie 2024 verdient der Aufsichtsratsvorsitzende eines DAX-Unternehmens im Durchschnitt etwa 421.000 Euro jährlich, während ein ordentliches Mitglied rund 127.000 Euro erhält. In den kleineren Indizes MDAX und SDAX liegen die Vergütungen niedriger: Der Vorsitzende im MDAX erhält im Schnitt 212.000 Euro, und im SDAX verdient der Vorsitzende etwa 134.000 Euro.
Der Frauenanteil in den Führungsebenen deutscher Unternehmen ist nach wie vor ein wichtiger Punkt in puncto Diversität. Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der Top 200 Unternehmen in Deutschland liegt aktuell bei 31,6 Prozent . Im Vergleich dazu beträgt der Anteil von Frauen in den Vorständen dieser Unternehmen lediglich 17,5 Prozent. Generell liegt der allgemeine Frauenanteil von Frauen in Führungspositionen bei 29 Prozent in Deutschland.
Gerade die Einblicke, die aktive Mitgestaltung an Unternehmen, aber auch der finanzielle Aspekt machen einen Aufsichtsratsposten attraktiv für Entscheider und versierte Branchenkenner. Elementar bleibt allerdings, dass dies ein breites, fundiertes und mitunter verprobtes Wissen gegenübersteht, das dem Unternehmen echte Mehrwerte bietet. Wenn sich Entscheider gut vorbereiten und über die nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, können sie nicht nur zur erfolgreichen Unternehmensführung beitragen, sondern auch Ihre eigene Karriere und Reputation auf ein neues Level heben.
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